Kreiselstudie_3 2022

(Ausschnitt der drei möglichen 4er Farbkombinationen,
die eine 90° Stellung im 12 teiligen Farbkreis einnehmen)
Acryl, Pappe (gefräst und kaschiert), Holz
je 32 x 32 cm

Ausgangspunkt der Kreiselstudie_3 ist die Untersuchung bestimmter Farbkombinationen aus einem 12teiligen komplementären* (sukzessiven) Farbkreis an der rotierenden Scheibe.

Im Zentrum der vorliegenden Studie stehen also zwei zentrale Begriffe aus der Farbenlehre, die Komplementarität [1] als solche und die Frage nach der exakteren Bestimmbarkeit eines idealen Farbflächenverhältnisses [2] durch ein optisches Gerät (Kreisel). Das Phänomen der komplementären Gegenfarben und die Methoden der exkateren Bestimmbarkeit dieser, bilden die essentiellen Grundlagen vielen Farbenlehren und sind in der Malereigeschichte unzählige Male rezipiert und behauptet worden. Mich interessiert der genauere Nachvollzug mit dem eigenen Auge und vor allem, ob die Ergebnisse wirklich ästhetisch überzeugen.

Zu sehen ist ein Ausschnitt, nämlich die drei möglichen 4er Farbkombinationen, die eine 90° Stellung im 12 teiligen Farbkreis einnehmen. Es sind also jeweils 2 komplementäre* Paare, die an der rotierenden Scheibe nun zusätzlich in ein bestimmtes Flächenverhältnis gebracht wurden. Alle dargestellten Ergebnisse (es sind weitere möglich) sind jeweils die exakten Flächenverhältnisse, die so an der rotierenden Scheibe zu einem unbunten Farbton gemischt werden können. Sie sind somit auf diesen neutralen, unbunten Punkt hin ästhetisch idealisiert eingestellt.
Zu sehen ist ein Ausschnitt, nämlich die drei möglichen 4er Farbkombinationen, die eine 90° Stellung im 12 teiligen Farbkreis einnehmen. Es sind also jeweils 2 komplementäre* Paare, die an der rotierenden Scheibe nun zusätzlich in ein bestimmtes Flächenverhältnis gebracht wurden. Alle dargestellten Ergebnisse (es sind weitere möglich) sind jeweils die exakten Flächenverhältnisse, die so an der rotierenden Scheibe zu einem unbunten Farbton gemischt werden können. Sie sind somit auf diesen neutralen, unbunten Punkt hin ästhetisch idealisiert eingestellt.
Die qualitativ herausragende Reihe mit 4 prägnaten Farbtönen (Gelb-Violettblau, Rot-Trükisgrün) im Farbraum. Neben der Farbtonqualität repräsentieren sie zudem auch markante Punkte des unbunten Spektrums (Schwarz - Grau - Weiss).
Die qualitativ herausragende Reihe mit 4 prägnaten Farbtönen (Gelb-Violettblau, Rot-Trükisgrün) im Farbraum. Neben der Farbtonqualität repräsentieren sie zudem auch markante Punkte des unbunten Spektrums (Schwarz - Grau - Weiss).

[1] Zur Komplementarität
Der Ausgangspunkt für die vorliegende Kreiselstudie ist ein 12 teiliger komplementärer* Farbkreis nach Goethe. Was Goethe als die vom Augen geforderte Farbe beschreibt kann jeder selbst nachvollziehen. Es sind die sogenannten Nachbildfarben, die sich innerlich, imaginär einstellen, wenn man für eine bestimmte Zeit lang einen Farbfleck fixiert hat und dananch auf eine neutrale Fläche schaut, um dort dann das innere gegenfarbige Nachbild wahr zu nehmen. Mit dieser Methode lässt sich ein geschlossener Farbkreis erarbeiten.

Prinzip der Nachbildmethode
Prinzip der Nachbildmethode

Für die Behauptung, dass bestimmte Farbkombinationen besondere ästhtetische Qualitäten für das menschliche Auge hätten, bildete Goethes Farbenlehre  den Ausgangs- und Referenzpunkt vieler künstlerischer Farbenlehren bis in das 20. Jahrhundert hinein. Für die Farbenlehre und die Ableitung von ästhetischen Regeln stellt Goethe in der 6. Abteilung (Sinnlich-Sittliche Wirkung der Farbe) explizit die lebendige Reaktion des Auges und somit die Nachbildmethode in den Mittelpunkt.

„Wenn das Auge die Farbe erblickt, so wird es gleich in Tätigkeit gesetzt, und es ist seiner Natur gemäß, auf der Stelle eine andere, so unbewußt als notwendig, hervorzubringen, welche mit der gegebenen die Totalität des ganzen Farbenkreises enthält. Eine einzelne Farbe erregt in dem Auge, durch eine spezifische Empfindung, das streben nach Allgemeinheit.“ § (805), 1810 „Zur Farbenlehre – Didaktischer Teil“

Aus diesem Schlüsselerlebnis leitet Goethe seinen 6 teiligen geforderten (komplementären) Farbkreis ab. Dieser wurde in der vorliegenden Studie (und im Rahmen eines Lehrauftrages mit mehreren Studierenden) auf einen 12 teiligen sukzessiven Farbkreis ergänzt.

 

12 teiliger (sukzessiver) Nachbildfarbkreis
12 teiliger (sukzessiver) Nachbildfarbkreis

*Es handelt sich um gegenfarbige, sukzessiv ermittelte Farbenpaare, die Umgangssprachlich unter dem Begriff der Komplementärfarben gefasst werden. Bei genauerer Betrachtung eröffnet der Begriff der Komplementarität ein sehr weites und komplexes Feld zwischen Licht und Farbe. Die exakte physikalische Definition „komplementärer Farben“ (hier sind es eigentlich spektrale Lichter) weicht leicht von den sukzessiven Nachbildfarben ab. Und auch die Neutralisation zweier gegenfarbiger Farbtöne am Kreisel (nur eine anteilig additive Mischung), wird genauer als „Kompensation“ bezeichnet.

[2] Zur Kreiselmethode als farbmetrisches Instrument
Die zweite Frage betrifft die Kreiselmethodik und die mögliche exakte Definition der Flächenanteile jedes beteiligten Farbtones. Im Endeffekt die Frage nach der ästhetischen Qualität dieser so ermittelten Farbflächenverhältnisse.

eine proportionale Einstellung  aller 12 Farbtöne, die rotierend ein neutrales Grau im Auge erzeugt.
eine proportionale Einstellung aller 12 Farbtöne, die rotierend ein neutrales Grau im Auge erzeugt.

Der optische Kreisel, die rotierende Scheibe, ist ein Farbmischinstrument, dass aufgrund der gesteigerten Geschwindigkeit das Auflösungsvermögen des Auges (Bilder pro Sekunde) überwinden kann und so die Ausgangsfarben (Aufstriche auf Papier) zu einem qualitativ neuen Gesamteindruck verschmelzen lässt. Es handelt sich um eine anteilig additive, optische Mischung.

Wählt man nun die Farbflächenverhältnisse so, dass die 3 Farbrezeptoren im Auge in idealerweise (gleichmäßig) erregt sind, so lässt sich der Farbeindruck der Ausgangsfarben neutralisieren. Neben unzähligen weiteren optischen Effekten, lassen sich auf diese Weise spezifische Farbkombinationen oder ganze Farbräume, farbmetrisch idealisieren und visuell aufeinander beziehen und somit ästhetisch strukturell ordnen. In der Farbmetrik galt der Kreisel lange als Mess- und Eichungsinstrument.

„Die Reihe derer, die in den vergangenen Jahrhunderten mit rotierenden Scheiben experimentiert haben, reicht von Ph. O.Runge und J. W. v. Goethe über G. Th. Fechner, James C. Maxwell, H. v. Helmholtz, E. Mach, Ch. Benham, A. H. Munsell, W. Ostwald, O. Prase oder J. Weder bis in die Gegenwart. Die gesammelten Erfahrungen vermittelten wertvolle Erkenntnisse vor allem über die Vorgänge des Sehens“ (Eckhard Bendin – edition bendin, Dresden 2016)