Zum Wesen einer Geometrie 2014

Siebdruckreihe auf schwarzem Samt
13 Grafiken zu je 36 x 56 cm

Die Frage nach der fundamentalen Beschaffenheit einer Fläche (und weiter nach der des Raumes) als mathematisch-kosmischen Spekulation gehört spätestens seit der griechischen Antike zum philosophischen Programm und wird schon bei Platon (im Dialog Timaios) mit der Idee von nur zwei geometrischen Grundformen (platonische Dreiecke) beantwortet. Diese Grundbausteine, aus denen die Welt, nach atomistisch, idealistischer Vorstellung letztlich im Kern bestehen, lassen sich zu unterschiedlichsten Kombinationen zusammenfügen und würden so (als platonische Körper) die Grundbestandteile der Natur bilden. Nun die  Vorstellung von den letzten oder ersten Bestandteilen (oder besser Zuständen) wird heute von der Quantenphysik beantwortet und hat damit deutlich jeglichen Atomismus überwunden.

In erster Linie lassen sich diese Grundformen aber zu einer lückenlosen Parkettierung (das Parkett) zusammenfügen und bilden damit Stoff für eine fundamentale mathematische Disziplin. In der mathematischen Topologie geht es bis heute um das Verständnis von den Eigenschaften mathematischer Strukturen (Netze, Gitter, Knoten usw.).

An diesem topologischen Phänomen, der Möglichkeit mit nur zwei geometrischen Grundformen eine Fläche lückenlos zu beschreiben und damit etwas über die Beschaffenheit der Fläche selbst aussagen zu können, setzt die Werkreihe zWeG an. Damit wird die Grundlage des Bildträgers selbst zum Bild – die Fragen nach dem Wesen, der Beschaffenheit, der internen Bildlogik und den inhärenten Bildpotentialen treten selbst in Erscheinung.

Dabei ist die Werkreihe so aufgebaut, dass ein eingefrorener Strukturzustand (betitelt mit “Grundstruktur”) den Ausgangspunkt für eine Reihe freier Transformationen darstellt, in denen jeweils andere strukturelle Merkmale der gleichen Grundstruktur aufscheinen. Die Gegenüberstellung dieser unterschiedlichsten topologischen Zustände (verschiedene Motive) und internen Perspektiven versucht das intrinsische Wesen und Bild-Potential zu befragen.

[Am Rande sei erwähnt, dass dabei auch die Frage nach der Bezugsqualität von der mathematischen Beschreibung (oder hintergründigen Verfassung) einer für unser menschliches Auge nicht mathematisch erscheinenden Realität (Natur) berührt ist. In dieser Hinsicht stellt die hexagonale Form ein besonderes Phänomen dar, sie lässt sich auch unmittelbar in der Natur auf unterschiedlichsten Ebenen beobachten.]

zWeG_grundstruktur
zWeG_grundstruktur
zWeG_6 richtungen,
Ausstellungsansicht Bunker D 2020
zWeG_6 richtungen, Ausstellungsansicht Bunker D 2020

In der unmittelbaren Anschaulichkeit wird der Betrachtende aber auf die ästhetische Qualität, das visuelle Erlebnis zurückgeworfen und mit der eigenen Wahrnehmung konfrontiert. Es ist nämlich offensichtlich so, dass das grafische Moment, welches in einer streng geometrischen Verfassung mit klarer Linie steckt, unser Wahrnehmungsvermögen auf spezifische Weise affiziert und interessiert. In manchen Grafiken (Motiv) führt die Betrachtung des geometrischen Gefüges so in erster Linie auf die Bedingungen der Sichtbarkeit (optical art) selbst zurück. Dies im Besonderen z.B. in der Grafik der Grundstruktur, in der die Wahrnehmenden an sich selbst beobachten können, wie das eigene Gehirn unentwegt versucht ist, Ordnung in die Welt zu bringen, ja dort selbst hinein zu projizieren.

Die (letztendlich unkonventionelle) technische Lösung des Siebdruckens auf schwarzem Samt führt unmittelbar ästhetisch zu einem stimmigen, aber eben ambivalenten Gefüge von Bildträger und Motiv, indem sich die grazilen und schwebend erscheinenden Grafiken deutlich von der Materialität des tatsächlichen Bildträgers, dem schwarzen Samt, absetzt.
Die Grafiken wirken wie scheinbar schwebend und werden somit in technisch konsequenter Fortsetzung der inhaltlichen Anlage in einen imateriellen Zwischen–Raum gesetzt.

zWeG_punkt
zWeG_punkt
zWeG_interferenz
zWeG_interferenz
zWeG_kreis+linie
zWeG_kreis+linie

Im Rahmen der Werkreihe „zum Wesen einer Geometrie“ ist mir die überraschende Transformation des komplementären geometrischen Gefüges aus Qaudrat und Dreieck in eine reine hexagonale Strukturebene aufgefallen. Damit wird ein ganz anderes Gebiet berührt, nämlich die Frage nach einem möglichen Übergang von dem rein konkreten Strukturkosmos hinunter in die irdische Sphäre der natürlichen Gestalten.

Mehr dazu gibt es hier > Naturstruktur – Strukturnatur zum Phänomen der hexagonalen Gestalt

"zWeG_hexagonal"